Wie man Verbotsdebatten progressiv begegnet

Verbrennerverbot, Plastikverbot, Heizungsverbot. Verbotsdebatten sind nicht neu und doch verfangen sie wie eh und je, auch jenseits der Bild-Zeitung. Seitdem die Ampel regiert, kommen Verbotsvorwürfe wieder besonders häufig von rechts. Das wird auch so bleiben. Umso wichtiger ist es, dass Progressive ihnen keinen Raum geben.

Wer will Verbote?

Verbote sind nichts anderes als staatliche Gesetze und Regulierungen. Sie sind gängige Praxis in progressiver und konservativer Politik. Sie als „Verbote“ zu benennen ist bewusstes Framing, um Assoziationen mit Bestrafung, Einschränkung und Bevormundung zu aktivieren. Schließlich waren alle als Kind schon einmal in der Situation, von den Eltern etwas verboten zu bekommen.

Bei Politik geht es immer darum, entsprechend der eigenen moralischen Werte und Prinzipien zu handeln. Deshalb werden Verbotsvorwürfe immer dann laut, wenn Maßnahmen die eigenen moralischen Werte und Prinzipien verletzen. Welche Werte und Prinzipien das sind, lässt sich aus dem konservativen und progressiven Wertesystem ableiten.

Verbote aus konservativer Perspektive

Wenn eine politische Maßnahme eigenverantwortliches Handeln und das Streben nach dem eigenen Nutzen behindert, geht sie gegen konservative Prinzipien. Deshalb spricht sich konservative Politik in der Regel für Freiwilligkeit statt Verpflichtung aus. Egal ob Heizungstausch, Umweltschutzauflagen oder Fahrtgeschwindigkeit: Verbraucher:innen und Unternehmen sollen selbst entscheiden, wann, wie und ob sie etwas tun.

Verbote aus progressiver Perspektive

Wenn eine Maßnahme sozialverantwortliches Handeln und Fürsorge verhindert, widerspricht sie progressiven Prinzipien. Deshalb schlagen Progressive häufig Maßnahmen vor, die Verantwortung für Mensch und Umwelt einfordern und die Bevölkerung vor Gefahren schützen. Egal ob Preisbremsen, Produktionsregeln oder Tempolimit: Sie alle dienen dem Schutz der Bevölkerung und stellen die Sicherheit und Freiheit aller über die Interessen Einzelner.

Aktuelle Kommunikation begünstigt Verbotsdebatten

Statt Werte wie Schutz und Freiheit zu betonen, beobachten wir, wie linke Kommunikation Verbotsvorwürfe annimmt und ihnen einen Nährboden bietet. Ein Beispiel dafür ist die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz im Frühjahr und Sommer 2023. Aus dem Gesetz wurde kurzerhand ein „Heizungsverbot“.

Fehler 1: Abstrakte politische Ziele statt moralische Werte als Gründe nennen

In der Debatte stellten die Grünen lange Klimaziele in den Fokus: Deutschland müsse bis 2045 klimaneutral werden. Daher sei der Umstieg auf klimafreundliche Heizungen und die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen notwendig.

Das Problem an dieser Kommunikation: Es fehlt die moralische Ebene. Es bleibt offen, warum die Klimaziele überhaupt wichtig sind und warum wir als Gesellschaft Klimaschutz machen sollten. Für die Grünen und ihre Stammwählerschaft ist das sicherlich trivial. Aber in einer Gesellschaft, in der die Mehrheit der Menschen die Ernsthaftigkeit der Klimakrise verdrängt, ignoriert oder nicht anerkennt, darf dieser Aspekt in der Kommunikation nicht fehlen.

Argumente rund um Klimaziele führen auch nicht zu persönlicher Betroffenheit. Begriffe wie „Klimaneutralität“ und „1,5-Grad-Pfad“ sind zu technisch und abstrakt. Es ist unklar, wie sich Einhalten oder Nicht-Einhalten auf den Alltag auswirkt. Bei einem Verbrenner-, Heizungs- und Fleischverbot ist hingegen sofort klar, wie sie den Alltag beeinflussen. Das macht es der Gegenseite leicht, Klimaschutz als politische Bevormundung oder unverschämtes Verbot darzustellen.

In einer früheren Newsletter-Ausgabe haben wir aufgezeigt, warum aktuelle Klimaschutz-Narrative nicht funktionieren und welche Narrative effektiver wären:

Vorschaubild für unseren Newsletter vom 22. Januar 2023 mit dem Titel: „Wie linke Narrative Klimaschutz verhindern“

Fehler 2: Verbote erklären und schönreden

Verbote sind negativ, Punkt. Denn sie bedeuten, dass man etwas nicht mehr tun darf, das man vorher noch durfte. Man verliert ein Recht. Man muss eventuell Gewohnheiten ändern und das ist anstrengend. All diese negativen Aspekte schwingen mit dem Wort „Verbot“ unbewusst mit. Deshalb gelingt es nicht, ein Verbot gut aussehen zu lassen.

Genau das passierte auch den Grünen in der Debatte zum Gebäudeenergiegesetz. Nach Monaten der Konfrontation sprach die Parteispitze vor allem über sozialen Ausgleich und Förderung für teure Heizungen. Vorteile und positiver Ausblick für Bürger:innen: Fehlanzeige.

Fehler 3: Verbotsvorwurf annehmen und Gesetz abschwächen

Infolge der Debatte wurde das Gebäudeenergiegesetz abgeschwächt. Auch die Kommunikation blieb defensiv. Sie war geprägt von Besänftigungen und Entkräftungen. Die Botschaft: „Keine Sorge, es ändert sich erst mal nichts.“ Das bestätigte, dass das Gesetz eine Verschlechterung bedeutet. Dabei wäre das Ziel gewesen, dass möglichst viele Menschen schnell auf klimaneutrales Heizen umsteigen.

Wenn Progressive beginnen Verbote schönzureden und abzuschwächen, befinden sie sich im Reaktionsmodus und im Framing der Gegenseite. Sie nehmen den Verbotsvorwurf an und argumentieren innerhalb dessen. Sie wiederholen dabei das Wort „Verbot“, die Medien verbreiten es und schon bald dominiert es den Diskurs. Das geht auch anders. Es gibt aus progressiver Sicht genügend gute Gründe für staatliche Regulierung. Man muss sie nur nennen.

So werden Verbote mehrheitsfähig

Wie können Progressive Verbotsdebatten effektiv begegnen?

1. Vom Verbot zum Schutz: Moralische Prinzipien und Werte herausstellen

Progressive Kommunikation sollte benennen, warum eine politische Maßnahme das moralisch Richtige ist und welche moralischen Prinzipien dadurch hergestellt bzw. eingehalten werden. Sie sollte dabei aber keine Hilflosigkeit der Betroffenen suggerieren, sondern vielmehr positiv erlebte Zustände wie Wohlstand, Freiheit und Selbstbestimmung als Folge der neuen Sicherheit betonen.

Im Fall des Gebäudeenergiegesetzes hätten die Grünen von Beginn an auf geringe Heizkosten und eine sichere Wärmeversorgung für Haushalte hinweisen können. Und sie hätten eine Verbindung zum daraus resultierenden Wohlstand ziehen können statt ständig zu wiederholen, dass sie die Bevölkerung mit den hohen Kosten nicht im Stich lassen.

2. Lösung und positives Ergebnis betonen

Wenn der Verbotsvorwurf im Raum steht, ist es am besten gar nicht darauf einzugehen und vor allem das Wort „Verbot“ nicht zu wiederholen. Stattdessen ist es sinnvoll, das positive Ergebnis einer politischen Maßnahme lebensnah zu erzählen. Das Ergebnis sollte in der Kommunikation mehr Raum bekommen, als der anstrengende Weg dorthin. Denn auch wenn etwas anstrengend ist, kann es das wert sein. Das wissen alle, die sich schon einmal zu mehr Sport durchgerungen, die Ernährung umgestellt oder ein lang aufgeschobenes Projekt umgesetzt haben.

Bürger:innen sollten erfahren, wie sie durch die politische Maßnahme mehr Sicherheit, Freiheit oder andere Vorteile in ihrem Alltag erlangen. Persönliche Geschichten sind dabei überzeugender als Statistiken und Zahlen, zumindest außerhalb von fachlichen Diskursen. Der Debatte ums Gebäudeenergiegesetz hätten Geschichten und O-Töne von überzeugten Bürger:innen mit Wärmepumpe sicherlich geholfen.

3. Sprache verwenden, die dem Verbotsbegriff entgegenwirken

Der Begriff „Verbot“ kommt zwar meist von der Gegenseite, aber er kann sich nur verbreiten, wenn es kein Gegengewicht gibt oder er durch ungünstige Kommunikation ermöglicht wurde. Das Gebäudeenergiegesetz a.k.a. Heizungsverbot hätte auch ein „Wärmesicherheitsgesetz“ sein können. Dadurch wäre das Ziel verdeutlicht worden, Wärmeversorgung sicherzustellen und Menschen vor explodierenden Heizkosten zu schützen.

Alternativ hätte man die technische Innovation von Wärmepumpen und anderen klimaneutralen Wärmetechnologien in den Vordergrund stellen können und das Gesetz „Wärmeinnovationsgesetz“ taufen können. Die von der FDP propagierte „Technologieoffenheit“ hätte man dadurch leichter als weniger innovativ abwerten können.

Natürlich hätten Konservative sich dann gegen Wärmesicherheit und für ein Wärmeverbot aussprechen können. Aber sie hätten damit deutlich schlechter dagestanden. Wenn Schutz, Freiheit, Selbstbestimmung und Wohlstand die progressiven Werte hinter Verboten sind, sollten diese auch in der Sprache vorkommen.

Selbstbewusst für politische Gestaltung einstehen

Die von rechts angestoßenen Verbotsdebatten führen dazu, dass sich Progressive weniger trauen, Regulierungen einzuführen. Das darf nicht die Folge eines konservativ dominierten Diskurses sein. Progressive haben genau die gleichen Werkzeuge, um ihre Politik populär und die der Gegenseite unpopulär zu machen: Moralische Werte, eine Vision für das gesellschaftliche Zusammenleben und eine Sprache, die diese transportiert.

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